Presse über Die Mühen der Ebene

Film-Dienst, November 2012

Kurzkritik:

Im Jahr 2009 wurde der 27-jährige Daniel Zimmermann zum Bürgermeister von Monheim gewählt, einer Stadt mit 45.000 Einwohnern und 120 Millionen Schulden. Von seiner Vereidigung an begleitet ihn der Dokumentarfilm über ein Jahr lang und hält das tägliche Ringen um Kompromisse und Verbündete mit der Kamera fest. Der Film gewährt subtile Einblicke in die Mechanismen kommunaler Verwaltung und Politik, die durch die realsatirischen Aspekte des Daseins eines Bürgermeisters unterhaltsam aufgelockert werden.

Langkritik:

Da steht er nun, der neue Schirmherr des Kaninchenzüchtervereins, und weiß nicht recht, wie ihm geschieht. Gerade hat der Vorsitzende ihm zum Amtsantritt ein frisch geschlachtetes Tier in einer Plastiktüte überreicht. Dem geehrten gelingt es nicht so recht, den Begeisterten zu simulieren, aber er bedankt sich höflich und fragt, ob man das Schlachtvieh vielleicht noch mal in die Kühlung geben könnte, da er ja gerne noch ein wenig bleiben möchte. Was vermutlich glatt gelogen ist. Aber Daniel Zimmermann hat gelernt, dass zu einem Bürgermeisteramt eben auch solche Termine gehören. 2009 wurde Zimmermann mit 27 Jahren zum Bürgermeister der Stadt Monheim mit 45.000 Einwohnern gewählt. Von seiner Vereidigung an haben die beiden Filmemacherinnen Gesa Hollerbach und Petra Eicker den Youngster ein Jahr lang bei seiner Amtsausübung begleitet. Dabei zeigt sich Zimmermann als eher zurückhaltender, bisweilen etwas linkisch wirkender junger Mann, der Schwierigkeiten hat, sich in seiner neuen Rolle als Stadtoberhaupt zurechtzufinden. “Sie sollten bewusster auftreten”, rät ihm ein älterer Herr am Rand einer Veranstaltung. Was leicht gesagt ist, wo doch viele Mitglieder des Stadtrates mindestens doppelt so alt sind wie er. Doch der Neue arbeitet sich ein, büffelt Verwaltungsrecht, Bebauungspläne und Geschäftsordnungen und lernt, dass Kommunalpolitik in der Praxis das Bohren dicker Bretter bedeutet.

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Die Langzeitbeobachtung zeichnet den jüngsten Bürgermeister einer deutschen Stadt weniger als charismatischen Helden, denn als eifrigen, mitunter von Selbstzweifeln befallenen Volkstribun. Der treffende Filmtitel geht (vermutlich) auf Bertold Brecht zurück, der mit den “Mühen der Ebene” jene Arbeit bezeichnete, die nach dem Sieg über den Faschismus beim Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft zu leisten sei. Auch wenn Zimmermann mit Sozialismus wenig am Hut hat, eröffnet der Abschlussfilm an der Kölner Kunsthochschule für Medien subtile Einblicke in die Mechanismen kommunaler Verwaltung und Politik. Da der (Haupt-) Protagonist stets “verkabelt” ist, ist man hautnah dabei, wenn im Stadtrat mit allerlei Ränkespiele und Intrigen etwa um den Bau neuer Sportstätten für die finanziell klamme Gemeinde gestritten wird. Aufgelockert werden diese unkommentierten Mühen des Alltags durch realsatirische Sequenzen von Zimmermanns Pflichtterminen bei Vereinen, beim Schützenfest oder im Karneval. Hinzu kommen Stillleben von der Tristesse der örtlichen Fußgängerzone, einer Plastiktüte im Wind oder eines Restaurants, das laut Aushang “Preiswerte Gemütlichkeit” feilbietet. Natürlich erinnert dieser Film an Andreas Dresens Dokumentation über den Provinz-Politiker Henryk Wichmann, hat aber genug Potenzial, um für sich zu bestehen. Nur die Fragen, für was Daniel Zimmermann und seine lokale Partei namens PETO eigentlich stehen, was ihn antreibt und wie es ihnen 2009 gelang, die Wahlen zu gewinnen, bleiben weitgehend unbeachtet.

Von Reinhard Lüke